Das Ende von .io?

DerMartin

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Kurz zusammengefasst und mit viel "Theorie" dahinter:

Die britische Regierung plant, die Chagos-Inseln an Mauritius zu übergeben. Dies könnte das Ende für .io bedeuten, da die Region, die sie repräsentiert, nicht mehr existiert. Laut ICANN wird die TLD bei Änderungen im ISO 3166-Standard möglicherweise auslaufen. Eine Übergangsfrist von fünf Jahren wäre denkbar, um auf eine alternative TLD zu wechseln.

Der ganze Artikel:

Und auch hier:
 
Auch Thema im heutigen Domain-Recht Newsletter:

Inseldomain - verschwindet .io aus dem Netz?
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Das im Indischen Ozean gelegene Chagos-Archipel, der letzte noch verbliebene Teil des Britischen Territoriums im Indischen Ozean, hat nach langwierigen Verhandlungen seine Souveränität zurückerlangt. Die Zukunft der Top Level Domain .io steht damit einmal mehr in den Sternen.

Ursprünglich bestehend aus sieben Atollen mit rund 60 größtenteils unbewohnten kleinen Inseln, hatte das Britische Territorium im Indischen Ozean zuletzt vor allem militärische Bedeutung. Im Jahr 1965 trennte Großbritannien die Verwaltung der Chagos-Inseln vom Kolonialgebiet Mauritius, das drei Jahre später in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Die Hauptinsel des Archipels, Diego Garcia, verpachtete das Königreich seit 1966 an die USA, die dort einen Militärstützpunkt unterhalten. Die Einwohner wurden damals zwangsweise umgesiedelt, größtenteils nach Mauritius. Großbritannien entschuldigte sich zwar für die Vertreibung, beharrte jedoch darauf, dass Mauritius selbst keinen legitimen Anspruch auf die Inseln habe. Jahrzehntelang kämpfte Mauritius darum, in dieser Frage ernsthafte internationale Unterstützung zu gewinnen. Die Wende brachte ein Gerichtsurteil; am 25. Februar 2019 kam der Internationale Gerichtshof mit 13 zu 1 Stimmen zu der Ansicht, dass "the United Kingdom is under an obligation to bring to an end its administration of the Chagos Archipelago as rapidly as possible". Diese Entscheidung wurde von den Regierungen von Großbritannien und Mauritius nun umgesetzt. Gemäß einer gemeinsamen Erklärung vom 03. Oktober 2024 wird das Vereinigte Königreich der Souveränität Mauritius‘ über das Chagos-Archipel zustimmen. Das schließt auch die Hauptinsel Diego Garcia ein; allerdings wird Großbritannien für eine "initial period of 99 years" befugt sein, in Bezug auf Diego Garcia die souveränen Rechte und Befugnisse von Mauritius auszuüben, um den Betrieb der Militärbasis der USA bis weit in das nächste Jahrhundert hinein sicherzustellen. Mauritius ist künftig frei, ein Umsiedlungsprogramm auf den Inseln des Chagos-Archipels mit Ausnahme von Diego Garcia durchzuführen, und Großbritannien wird einen neuen Treuhandfond einrichten und separat weitere Unterstützung leisten.

Noch unklar ist die Zukunft der Top Level Domain .io, dem offiziellen Länderkürzel des Britischen Territoriums im Indischen Ozean. Grundsätzlich orientiert sich die Internet-Verwaltung ICANN bzw. die Internet Assigned Numbers Authority (IANA) bei der Vergabe von Länderendungen an der "ISO 3166-1"-Standardliste; dort wird .io aktuell noch geführt. Doch endet die britische Verwaltung des Chagos-Archipels, endet damit auch das Britische Territorium im Indischen Ozean. Sollte "io" deshalb aus der "ISO 3166-1"-Standardliste gestrichen werden, entfiele grundsätzlich auch die country code Top Level Domain .io – und mit ihr die Grundlage für mehrere hunderttausend .io-Domains. Gesicherte tagesaktuelle Registrierungszahlen gibt es nicht; vor allem bei Tech-Start-Ups erfreut sich die Endung .io aber großer Beliebtheit. Zwingend ist ein Abschied von .io nicht. Obwohl die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) bereits im Jahr 1991 politisch aufgehört hat zu existieren, ist sie mit .su nach wie vor im Domain Name System vertreten. Als Gegenbeispiel gilt .yu; das vormalige Länderkürzel Jugoslawiens wurde am 01. April 2010 aus dem Domain Name System gelöscht. Ebenso gut wäre es möglich, dass Mauritius den Registry-Vertrag für .io neu vergibt. Da dürfte die in London sitzende .io-Registry Internet Computer Bureau Limited aber ein gewichtiges Wort mitreden wollen. Das Unternehmen, das mittlerweile zu Identity Digital (vormals Donuts) gehört, hat im Jahr 2023 mit .io einen Umsatz von rund US$ 40 Mio. erwirtschaftet. Mit .ac (Ascension) und .sh (St. Helena und Tristan da Cunha) hat die Internet Computer Bureau Limited zudem zwei weitere exotische Top Level Domains unter Vertrag.

Unmittelbar besteht für die Inhaber einer .io-Domain keine Gefahr. Weder Großbritannien noch Mauritius haben in ihrer gemeinsamen Erklärung zu erkennen gegeben, dass sie .io aufgeben wollen; das wird letztlich erst den völkerrechtlichen Verträgen zu entnehmen sein, die noch ratifiziert werden müssen. Allerdings sollten sich Unternehmen, deren Hauptpräsenz auf einer .io-Domain beruht, demnächst um eine sinnvolle Alternative bemühen, um bei Bedarf Infrastruktur und Inhalte auf eine Ausweich-Domain umziehen zu können.


Die gemeinsame Erklärung von Großbritannien und Mauritius finden Sie unter:

http://newsletter.domain-recht.de/go/0/620UQYU5-61YRBHR5-61YFHJIZ-K8TMQB.html

Die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs finden Sie unter:

http://newsletter.domain-recht.de/go/0/620UQYU5-61YRBHR5-61YFHJJ0-XT5TQ4.pdf


Quelle: domainincite.com, eigene Recherche
 
Update aus dem heutigen Domain-Recht Newsletter:

Vor wenigen Wochen haben die Regierungen von Großbritannien und Mauritius bekanntgegeben, dass die politische Souveränität des im Indischen Ozean gelegenen Chagos-Archipel, dem letzten noch verbliebenen Teil des Britischen Territoriums im Indischen Ozean, an Mauritius übergeht. Seither steht die Zukunft der Top Level Domain .io in den Sternen. Nun hat sich erstmals die Internet-Verwaltung ICANN zur Zukunft von .io geäußert. Kim Davies, Vicepresident IANA Services, betonte, dass man sich bei der Vergabe von ccTLDs auf die Standardliste nach ISO 3166-1 verlasse. Aktuell wird .io unverändert in dieser Liste geführt, so dass sich aktuell auch keine Änderung ergebe, zumal die Ratifizierung der völkerrechtlichen Verträge erst für 2025 erwartet werde. Davies betonte jedoch auch: "There is a possibility that 'IO' may be removed as an assigned code in the ISO 3166-1 standard. Should this happen, ICANN's community-developed retirement policy will apply. In essence, a five-year time window will commence during which time usage of the domain will need to be phased out. That time window might be extended under certain circumstances." Mit anderen Worten: bis mindestens 2030 müssen Inhaber einer .io-Domain nicht um deren Existenz fürchten. Unternehmen, deren Hauptpräsenz auf einer .io-Domain beruht, haben also ausreichend Zeit, sich um eine sinnvolle Alternative zu bemühen, um bei Bedarf Infrastruktur und Inhalte auf eine Ausweich-Domain umziehen zu können.
 
Seither steht die Zukunft der Top Level Domain .io in den Sternen.

Danke für den Beitrag.

Bisher kannte ich .i.O. gar nicht. Mir würden bestimmt zweidrei Domains ansonsten "sein".

Alles Gute jedenfalls für jeden, der von den Veränderungen betroffen ist.

i.o....

goil...hätte ich das gewusst.
 
Man muss hier einiges berücksichtigen.

ICANN hält sich bewusst aus geopolitischen Streitigkeiten raus: „Another thing ICANN is not involved in is deciding the actual codes, or what constitutes a country eligible for a code“ (ICANN). Dieses Prinzip dürfte der Grund dafür sein, dass ICANN sich streng nach ISO 3166-1 richtet und sich in seinen Äußerungen darauf bezieht. Das gilt zum jetzigen Zeitpunkt um so mehr, da der Status des Chagos-Archipels noch nicht einmal endgültig geklärt ist.

ICANN hält sich also hartnäckig an die eigenen Regeln. Diese Hartnäckigkeit hat historische Gründe: Geopolitische Ereignisse führten in der Vergangenheit zu Chaos in der Domainwelt. (Gute Beschreibung hier: https://every.to/p/the-disappearance-of-an-internet-domain.) Die Wiederholung solcher chaotischen Zustände hat deshalb oberste Priorität bei ICANN.

Die sehr weit verbreitete Nutzung von ccTLDs für kommerzielle Zwecke, völlig losgelöst vom jeweiligen Staat einer ccTLD, birgt aber ein anderes und ebenfalls sehr großes Chaosrisiko, wenn die Verbindung zwischen Staat und ccTLD sehr streng gehandhabt wird. Würden .io-Domains, auch die, die mit dem Chagos-Archipel überhaupt nichts zu tun haben (d. h. fast alle), einfach verschwinden, weil es das Land gar nicht mehr gibt, wäre das nicht nur eine Katastrophe für die betroffenen Domain-Inhaber; es könnte evtl. das ganze System der „Zweckentfremdung“ von ccTLDs in Frage stellen oder sogar in Verruf bringen.

Die .io-ccTLD wurde bisher immer kommerziell gehandhabt. Sie wurde von einem britischen Unternehmer ursprünglich registriert, hat in der Zwischenzeit mehrere Male die Hände gewechselt, unterlag aber nie der Kontrolle eines betroffenen Staates (weder des Chagos-Archipels, noch des dafür verantwortlichen Vereinigten Königreichs). Faktisch war sie also eine gTLD, wenn nicht aus Sicht der ICANN-Regeln.

(Paradoxerweise war dies vor drei Jahren der Grund eines juristischen Streits: Aktivisten aus den Chagos-Archipels verlangten die Rückgabe der .io-TLD an das Volk der Chagossianer (https://www.jlevy.co/wp-content/uploads/2021/07/OECD-July-28-2021-Afilias-Ltd.pdf). Deshalb „paradoxerweise”, weil der Status des chagossianischen Volks selbst sich jetzt wahrscheinlich ändert.)

Die nahe liegende Lösung wäre also, den Status von .io einfach in den einer gTLD umzuwandeln (mit Fortführung der bestehenden Domainrechte). Wenn die ICANN-Regeln dies nicht vorsehen, müsste man dann „nur“ die ICANN-Regeln ändern.

Viel interessanter finde ich also die Auswirkungen dieser Situation auf die Politik der ICANN, als die Zukunft von .io-Domains. Und sechs Jahre sind auch eine sehr lange Zeit im Zeitrahmen des Internets. :)
 

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